Welche Fähigkeiten braucht der Wissensarbeiter von morgen? Diese Frage genießt zurzeit einige Aufmerksamkeit. Und das mit gutem Grund: Es zeichnet sich langsam aber sicher ab, dass Digitalisierung und Automatisierung nicht wie bisher auf einfache Tätigkeiten beschränkt bleibt, sondern verstärkt komplexe Wissensarbeit erreicht.
Wie auch immer die Welt und die Arbeitsmarktzahlen in Deutschland nach der aktuellen Krise aussehen werden: Die Digitalisierung dürfte sich kurz- und mittelfristig nicht als der Jobkiller erweisen, als der sie bisher vielen erschien. Gleichzeitig scheint auch klar, dass der Arbeitsmarkt radikal umgestaltet wird. Manche bis dato gesuchte Qualifikationen werden schrittweise ab- und andere bisher weniger gefragte Profile aufgewertet. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird ein großer Teil wissensbasierter Routinetätigkeiten (wie Rechnungsstellung, Bearbeitung von Kundenanfragen, Vertragsmanagement etc.) bis zum Jahr 2030 von intelligenten Computersystemen übernommen werden. Je nach Szenario könnten auch andere, anspruchsvollere Tätigkeiten – wie etwa Teilbereiche wissenschaftlichen Arbeitens oder kreativer Aufgaben – sehr bald von Maschinen übernommen werden.
Dieser Prozess ist vergleichbar mit den Erfahrungen des technologisch bedingten Strukturwandels im vergangenen Jahrhundert. Heute wie damals bedeutet der technologische Wandel nicht nur den Wegfall von Arbeitsplätzen, sondern in einem wesentlich erheblicheren Maße die Veränderung der Anforderungsprofile für menschliche Arbeitskräfte.
Heute arbeiten gut bezahlte Fach- und Führungskräfte auf der Basis von Spezial- und Detailkenntnissen in hoch-qualifizierten Jobs. Fachlich anspruchsvolle Probleme müssen von diesen menschlichen Arbeitskräften bis ins letzte technische Detail verstanden und bearbeitet werden. Gerade hier schickt sich Künstliche Intelligenz an, dem Menschen den Rang abzulaufen: Immer mehr anspruchsvolle geistige Arbeiten dürften zukünftig von Computern übernommen werden, die über eine unschlagbare Fülle von Detail- und Spezialkenntnissen verfügen. Menschen müssen dann z.B. nicht mehr nach Krebstumoren auf einem Röntgenbild oder den kritischen Punkten in einem Vertrag suchen, sondern bekommen diese Informationen in Sekundenschnelle von Künstlicher Intelligenz bereitgestellt.
Die Aufgabe des Menschen in einem solchermaßen technisierten Umfeld wird es dagegen sein, die erhaltenen Informationen zu bewerten, in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Auch müssen die Menschen über Überblickswissen verfügen, das es ihnen ermöglicht, der Technik die richtigen Fragen zu stellen und tatsächlich hilfreiche Informationen zu entlocken.
Hier entsteht also Bedarf an eher generalistisch gebildeten Arbeitskräften, die allerdings über anspruchsvolle kognitive Fähigkeiten verfügen müssen. Gebraucht werden dürften zukünftig darüber hinaus umfangreichere reflexive und kreative Kompetenzen, also die Fähigkeit, über den Tellerrand und über den Tag hinaus zu denken, Wissen aus unterschiedlichen Disziplinen zu verknüpfen und auf einer anspruchsvollen Ebene nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch zu denken. Aber nicht nur das: Die qualifizierten Arbeitskräfte der Zukunft müssen auch über soziale und emotionale Fähigkeiten in der täglichen operativen Führungsverantwortung verfügen, um damit genau jene Kompetenzlücke zu füllen, die auch zukünftig von maschineller Intelligenz offen gelassen werden dürfte.
Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt einer Veranstaltung des Arbeitslabors mit ca. 50 Mitarbeitern eines überregionalen Bildungsträgers. Im Rahmen eines Seminars wurde dort über die Ergebnisse einer ersten Pilotstudie zu den Fähigkeiten der Zukunft diskutiert. Diese Studie des Instituts für Arbeitsdesign und Zukunftstechnologien e.V. ermittelte die Fähigkeiten, die in der Diskussion zur Arbeit der Zukunft bzw. "New Work" am häufigsten genannt wurden. Diese können in sechs Gruppen aufgeteilt wurden.
Fähigkeiten im Umgang mit anderen Menschen (Teamfähigkeit, Beziehungsfähigkeit, Globale Kulturfähigkeit)
Fähigkeiten im Umgang mit Aufgaben- und Problemstellungen (Problemlösungsfähigkeit, Kritisches Denken, Kreativität, Intuitive Intelligenz)
Fähigkeiten im Umgang mit dem Selbst (Selbstwirksamkeit, Selbstschutz, Selbstvermarktung)
Fähigkeiten im Umgang mit Neuem (Innovationsfähigkeit, Flexibilität, Lernfähigkeit)
Fähigkeiten im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnik (IT und Medienkompetenz, Information Fluency)
Fähigkeiten im Umgang mit Sachwissen (Fachkompetenz, Allgemeinwissen)
In der Studie wurden Beziehungsfähigkeit, Kreativität und Problemlösungsfähigkeit am öftesten genannt. Sachwissen dagegen spielte nur eine untergeordnete Rolle.
Die Teilnehmer des Seminars - allesamt erfahren in der Weiterentwicklung von Mitarbeitern und der Wiedereingliederung von "Burnout-Patienten" - betonten darüber hinaus einen Aspekt ganz besonders, der aus ihrer Sicht nicht unterschätzt werden darf: die Fähigkeit im Umgang mit sich selbst. Dabei ist nicht nur die Fähigkeit gemeint, sich selbst zu steuern und zu motivieren. Mindestens genauso wichtig ist in Zeiten der dauernden Verfügbarkeit die Fähigkeit sich selbst vor Überforderung zu schützen.